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Glauben und Denken

Bevor wir in die Grundlagen und Teillehren einsteigen, sollten wir uns mit Glauben und Denken vertraut machen. Mit Glauben ist keine spirituelle Fähigkeit gemeint, wie sie andere Religionen ins Zentrum ihres Schaffens stellen, sondern eine Funktion des Geistes, vergleichbar mit Erinnerung, Assoziation, Denken. In der Lehre des Erhabenen Buddha hat weder Glauben noch Denken einen besonderen Stellenwert, ganz im Gegenteil, beides sind Quellen von falschen Ansichten, Missverständnissen, Fehlinterpretationen und Spekulationen.

Beginnen wir mit dem Denken. Unser Geist ist so programmiert, dass er ständig irgendetwas denkt. Einzig im Augenblick des Einschlafens, hört er mit dem Denken auf. Nebenbei erwähnt, das könnte einer von mehreren Gründen sein, wieso wir in der Ruhemeditation plötzlich müde werden. Während dem Schlafen dann, ruht sich unser Geist nicht etwa aus, nein, er arbeitet munter weiter, beispielsweise mittels Träumen. 

Wenn wir mal eine Weile lang unseren Gedanken zuhören, ganz so als wären es Stimmen von anderen Menschen und nicht unsere Gedanken, dann stellen wir kuriose Dinge fest. Zum Beispiel, dass wir über gerade Erlebtes nachdenken. Wir stecken uns einen Löffel Müsli in den Mund und anstatt wir mit der sati bei der Zunge und dem Geschmack verweilen, springt die sati zu den Gedanken, die darüber nachdenken, was da unten für Geschmäcker, und wie gut/scheusslich, will ich nicht/will ich mehr, usw. Durch das Denken verhindern wir also, im jeweiligen Augenblick zu verweilen.

Die zweite Gefahr des Denkens ist, dass alle Gedanken in der Ich-Form daher kommen. "Ich habe Hunger", "Ich muss aufs Klo", "Ich denke dies", "Ich denke das", "Ich bin fit und munter", "Ich bin müde", "Ich denke, also bin ich". Diese Aufzählung kann beliebig lang fortgesetzt werden. Wir hinterfragen nie, ob es wirklich Ich bin, der da denkt und wenn wir das hinterfragen, dann kommt uns René Descartes, ein französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler in den Sinn, der sagte:

"Ich denke, also bin ich!" (cogito ergro sum)

Der Erhabene Buddha hat das ganz anders erkannt, er lehrt uns, dass Gedanken anattā und anicca sind und wenn wir uns daran festhalten, erzeugen wir dukkha. Das anattā der Gedanken, ja aller khandha beginnen wir langsam zu verstehen, wenn wir in der Ruhemeditation ins upacāra-samādhi gelangen. Bevor das erreicht ist, bleibt uns nur das zu glauben, vielleicht haben wir aber schon genügend praktiziert, dass wir dem Erhabenen Buddha vertrauen, das er mit seiner Aussage richtig liegt. Auf jeden Fall müssen wir solange üben, bis wir Glauben und Vertrauen überwunden haben, den beide führen nicht zur Befreiung, ganz im Gegenteil.

Denken, halten wir fest, es wird gedacht und dieses es sind nicht wir selbst. Mit ein wenig Meditationserfahrung ist auch bald mal klar, dass das Ich keine Macht über das Denken hat. Meister des Denkens zu werden ist ein sehr langwieriger Prozess. Weder können wir unserem Geist befehlen nicht zu denken, noch können wir ihm befehlen, er soll nur diesen oder nur jenen Gedanken nachgehen. Bitte versucht letzteres einmal während Eurer Meditation und ihr werdet selbst erfahren, dass der Erhabene Buddha wusste, wieso er den menschlichen Geist als Affengeist bezeichnete.

Die letzte Aussage zum Denken. Solange der Geist fähig ist zu denken, solange sind die kilesa handlungsfähig. Das bedeutet, wir wissen nicht, ob der der denkt, dhamma oder kilesa sind. Als ich das erkannte habe ich verstanden, dass aus Denken und Gedanken nie und nimmer die Wahrheit entstehen kann. Wir können uns dhamma nicht erdenken. Die These, dass alles Denken falsch ist, hat mich in meiner Praxis sehr weit gebracht. Deshalb kann ich ein genaues untersuchen dieses Themas nur wärmstens empfehlen.

Kommen wir zum Glauben. Glauben und Nichtglauben ist genau das Gleiche. Sowohl beim einen, noch beim anderen stehen wir mit leeren Händen da. Zu Beginn unseres buddhistischen Lebens aber, kommen wir um glauben nicht herum. Wir müssen der Lehre einen Vorschusskredit geben, uns belehrbar machen, indem wir das Gelehrte erst mal glauben und dann rasch überprüfen. Die meisten Menschen, die ich kenne, wollen genau diesen Schritt nicht tun. Natürlich haben sie immer gute Gründe. Das ist ja das Hinterhältige und Gefährliche der kilesa, sie haben immer logische und gute Gründe.

Vor Jahren hab ich mich also mal an den Schreibtisch gesetzt und aufgeschrieben, an was ich alles glaube. Beispielsweise glaube ich an den Sonnenaufgang und an den Sonnenuntergang. Ich glaube die Erde sei eine Kugel und sie drehe sich einerseits um sich selbst und andererseits um die Sonne. Ich glaube ich sei ein Mann. Ich glaube ich sei in einigen Themen klug, in anderen unwissend. Ich glaube Dies und ich glaube Das, aber jenes glaube ich nicht. Je länger die Liste wurde, desto klarer wurde mir, dass ich doof genug bin, viele Dinge zu glauben, obwohl ich eigentlich weiss, das dem nicht so ist. Das bedeutet, wir glauben an den Sonnenaufgang, obwohl wir doch alle wissen, dass die Sonne erst ein einziges Mal aufgegangen ist, zu Beginn dieses Universums. Untergegangen ist sie noch nie, das wird sie erst am letzten Tag dieses Universums. Seit dem einzigen Sonnenaufgang scheint die Sonne pausenlos, auch in der Nacht, auch bei allerdickstem Nebel, bei Schneefall genau so wie bei strahlendem Sonnenschein. Plötzlich wird einem klar, dass man einfach nur dumm ist zu glauben, man sei wissend, klug oder intelligent. All die romantischen Sonnenuntergänge die ich erlebt habe, gab es gar nicht, das waren alles Illusionen.

Ein Mensch, der seinen Geist nicht schult, kommt aus diesem Glauben nicht heraus. Nur der Praktizierende legt Glauben scheibchenweise ab. Wenn also, und das war mein Gedanke damals vor vielen Jahren, wenn also glauben so oder so stattfindet, wieso gebe ich dann nicht einfach mal der Lehre des Erhabenen Buddha eine Chance. Wieso mache ich mich nicht mal belehrbar indem ich allem was er lehrt, einfach so glaube und meinen Lehrer frage, wie ich meinen Glauben in Vertrauen und dann in Wissen ummünzen kann? Da nichts dagegen sprach habe ich so gehandelt und nach diesem Motto praktiziere ich noch heute. Noch immer gehe ich davon aus, dass es an mir liegt, wenn ich eine der Teillehren noch nicht verstanden und verwirklich habe, nie käme mir der Gedanke, mein Lehrer oder gar der Erhabene Buddha hätte da etwas falsches gelehrt.